Bereit, wenn es sein muss – wir in der Zeitung

Folgender Artikel erschien am 4.07.2019 in der Lausitzer Rundschau. Mit freundlicher Genehmigung dürfen wir ihn hier veröffentlichen:

Eine Lausitzer Wehr im Waldbrand-Stress: Bereit, wenn es sein muss

 Auf einem Tanklöschfahrzeug der Freiwilligen Feuerwehr Kolkwitz – Martin Mathow war Ende Juni bei der Bekämpfung des Waldbrands in der Lieberoser Heide mit dabei. 
Auf einem Tanklöschfahrzeug der Freiwilligen Feuerwehr Kolkwitz – Martin Mathow war Ende Juni bei der Bekämpfung des Waldbrands in der Lieberoser Heide mit dabei.  FOTO: LR / Martin Mathow
Ein junger Lausitzer erklärt, wie als freiwilliger Feuerwehrmann das Zusammenspiel aus Einsätzen sowie Job und Familie funktionieren kann. Von Andreas Blaser

Es ist Montag, 14.25 Uhr, als bei Martin Mathow nahezu synchron der Pieper und die Alarmsirene der Feuerwehr in Kolkwitz losgehen – Einsatz. Mathow ist gerade in seinem Büro im Altbau der Gemeindeverwaltung in Kolkwitz, hat noch zu arbeiten. Der 32-Jährige ist der Leiter des Fachbereichs Ordnung und Sicherheit der Gemeinde. Aber er ist eben auch Feuerwehrmann.

 Am Schreibtisch in der Kolkwitzer Gemeindeverwaltung – Martin Mathow leitet dort den Bereich Ordnung und Sicherheit.
Am Schreibtisch in der Kolkwitzer Gemeindeverwaltung – Martin Mathow leitet dort den Bereich Ordnung und Sicherheit. FOTO: LR / Andreas Blaser

Einsatz in der Lieberoser Heide

Es ist der Tag, an dem in der Lieberoser Heide wieder einmal die Wälder brennen, die örtlichen Feuerwehren aber aufgrund der Größe der Waldflächen, des Brandes und des munitionsbelasteten Bodens überfordert sind. Sie bitten um Hilfe – und erhalten sie neben vielen anderen auch von der Ortsfeuerwehr Kolkwitz. Für Mathow heißt das an diesem Nachmittag, dass Ordnung und Sicherheit in der Gemeinde erst einmal warten müssen. Er eilt vom Rathaus an der Berliner Straße über diese hinweg zum Feuerwehrgerätehaus in der Bahnhofstraße. Der Weg beträgt nur wenige Hundert Meter. Da es sich aber um eine scharfe beziehungsweise Erstalarmierung handelt, ist Eile geboten.

Im Gerätehaus haben sich etwa zehn Feuerwehrleute eingefunden. Sie wissen bereits, es soll nach Lieberose zum Einsatz gehen. Und sie wissen auch jetzt schon, dass dieser Einsatz mit großer Sicherheit nicht so kurz sein wird wie die meisten Einsätze in ihrem normalen Einsatzgebiet in der Gemeinde – wenn es um kleinere Brände, Verkehrsunfälle oder im Altkleidercontainer entsorgte tote Kaninchen geht.

Ich bin bereit

Drei Leute werden für die erste Gruppe benötigt, Mathow ist nicht unter ihnen. Er hat einen vierjährigen Sohn, den er an diesem Nachmittag noch aus dem Kindergarten abholen muss. Dennoch ist er erst einmal zum Treffpunkt geeilt, macht damit klar: Ich bin bereit, wenn es sein muss und wenn es unbedingt sein muss auch jetzt. Muss es aber nicht, drei andere Kameraden fahren zuerst mit einem Tanklöschfahrzeug nach Lieberose: ein Gruppenführer, ein Maschinist und ein weiterer Feuerwehrmann. Ihr Einsatz in Lieberose wird etwa acht Stunden dauern, dann werden sie von der zweiten Gruppe abgelöst, diese von der dritten Gruppe. In der wird Martin Mathow sein. Am nächsten Tag aber erst, ganz in der Früh geht es zum Einsatzort in der Lieberoser Heide.

Zwischen Job, Familie und Feuerwehr

Bis dahin hat Mathow ausreichend Zeit, seinem Arbeitgeber, der Gemeindeverwaltung Kolkwitz, und auch seiner Frau und seinem Kind zu erklären, dass er Dienstag nicht da ist – weder tagsüber am Schreibtisch in der Verwaltung und nicht früh und abends bei der Familie.

Nicht immer aber lässt sich dies bei Einsätzen so gut planen und organisieren. 36 aktive Kameraden gibt es in der Kolkwitzer Ortsfeuerwehr, darunter etwa fünf Frauen. Rund zehn der Kameraden sind auch bei der Gemeinde beschäftigt, vielfach im Kolkwitzer Bauhof. So stand dieser Tage noch der Rasenmäher vorm Bauhof, weil ein Mitarbeiter schnell Fahrzeug und Kluft wechseln und zum Feuerwehreinsatz musste. „Das sind die immer verfügbaren, die planbaren Einsatzkräfte“, erklärt Jürgen Rehnus dazu. Er war bis vor einem Monat Gemeindebrandmeister und Gemeindewehrführer, machte das 18 Jahre lang und hat in dieser Zeit schon einiges erlebt. Bei anderen Einsatzkräften sei es schwieriger, die würden in Cottbus oder Burg arbeiten. Da dauere es halt, bis sie tagsüber bei Alarmierungen im Feuerwehrdepot seien. Martin Mathow spricht für die Zeit von 7 bis 16 Uhr von einer geringeren Tageseinsatzbereitschaft als abends oder in der Nacht. Was nicht heißt, dass die Kameraden tagsüber nicht wollen oder ihre Arbeitgeber sie dafür nicht freistellen, sie sind schlichtweg nicht vor Ort oder ihre Fahrt dauert zu lange.

Gemeinden achten auf das Ehrenamt

Darum achten die Gemeinden auch darauf, dass bei Einstellungen Bewerber ihre Bereitschaft erklären, in der örtlichen Feuerwehr aktiv mitzumischen. Martin Mathow ist so ein typischer Fall. Als er sich 2006 bei der Gemeindeverwaltung Kolkwitz für eine Ausbildung zum Verwaltungsfachangestellten bewarb, hatte er mit der Feuerwehr nicht so wahnsinnig viel am Hut. Da mitzumachen, war aber schon gewünscht. Seitdem ist der Kolkwitzer in der Freiwilligen Feuerwehr seiner Gemeinde aktiv, hat sich nach und nach qualifiziert zum Truppmann und Truppführer. 2017 machte er in der brandenburgischen Feuerwehrlandesschule in Eisenhüttenstadt eine mehrwöchige Ausbildung zum Gruppenführer. „Ich mache das gern“, sagt er heute, „und mit Leidenschaft“. Er habe auch dort seinen Freundeskreis, seine Kumpels. „Zudem verbringen wir bei den Einsätzen auch viel Zeit miteinander. Das verbindet.“ Und man treffe sich ja auch in der Freizeit als Freunde und Familie.

Die Frau hält den Rücken frei

Seine Frau hält ihm den Rücken frei, sagt Mathow zum Thema Feuerwehreinsätze und Familie. Natürlich gibt es auch die typischen Unzeiten, zu denen eine Alarmierung eigentlich gar nicht passt. Beispielsweise wenn er mit Frau und Sohn beim Abendessen als der einzigen gemeinsamen Mahlzeit des Tages sitzt und die drei darüber reden, was so tagsüber los war und dann geht der Pieper los . . . „Aber das kriegt man schon irgendwie geregelt, meist auch konfliktfrei“, sagt der junge Familienvater. Sein älterer und erfahrener Kollege Rehnus komprimiert dies in der Weisheit „Wenn die Frau nicht mitspielt, ist der Feuerwehrmann nicht gut drauf.“ Der Jüngere relativiert aber auch, dass man als freiwilliger Feuerwehrmann nicht jeden Tag im Einsatz sei. Mal gebe es vier, meist kleinere Einsätze am Tag, mal passiere tagelang gar nichts.

Die Einsatzliste zeigt es

Ein Blick in die von der Ortswehr Kolkwitz veröffentlichten Einsatzlisten bestätigt dies. Die Einsätze im Juni beginnen am Monatsersten mit einem Bahndeichbrand, Einsatzdauer 1:27 Stunden. Das nächste Mal ausrücken müssen die Kolkwitzer erst am 12. Juni zu einem kleinen Waldbrand, dessen Bekämpfung dauert nur eine gute Stunde. Ein Ausreißer ist der 19. Juni, an dem zu einem Waldbrand noch zwei Verkehrsunfälle hinzukamen. Noch krasser ist der 26. des Monats: brennender Holzstapel, Baum auf der Straße, Waldbrand, Verkehrsunfall. Alle Einsätze dauern aber kaum mehr als eine Stunde.

47 Stunden Waldbrandeinsatz

Ganz anders der 24. Juni, als um 14:25 Uhr Martin Mathow durch Pieper und Sirene alarmiert wird. Dieser Einsatz dauert 47:35 Stunden. Viermal werden in diesen zweit Tagen die dreiköpfigen Tanklöschfahrzeug-Besatzungen ausgewechselt. Mathow war einer von ihnen – nachdem er seinen Sohn aus dem Kindergarten geholt und seine Frau sowie die Kollegen über seine Abwesenheit informiert hatte.